Das Gründerzeitkasino an der Hafenpromenade ist das Wahrzeichen von Constanţa. Erbaut wurde es 1909 in französischem Neobarockstil von dem rumänischen Architekten Daniel Renard. 1985 wurde es restauriert. In dem prächtigen Gebäude kann man auch schlemmen, der Glücksspielbetrieb aber wurde 2005 eingestellt.
Constanţa ist die älteste Stadt auf rumänischem Boden. Erstmals im Jahre 657 vor Chr. erwähnt, als an der Stelle der heutigen Halbinsel (unter dem heutigen Wasserspiegel, auf dem Platz des heutigen Kasinos) eine griechische Kolonie namens Tomis gegründet wurde. Die Ortschaft wurde 71 vor Chr. von den Römern erobert und in Constantiana umgenannt, zu Ehren der Schwester des Kaisers Constantin des Grossen.
Im Laufe des 13. Jh. wird das Grosse Meer (wie damals das Schwarze Meer genannt wurde) von italienischen Händlern aus Genua dominiert; diese bauten die Stadt aus. Bis 1420 gehört Constanţa zur Walachei und dann schließlich zum Osmanischen Reich, bis es 1878 im Rahmen des Berliner Kongresses mit der Dobrudscha (dessen Zentrum Constanţa ist) Rumänien zugeschlagen wurde.
Unter osmanischer Besetzung bis auf die Grösse eines Dorfes zurück geschrumpft, das von griechischen Fischern und tatarischen Pferde- und Schafzüchtern bewohnt wurde. Die Ortschaft entwickelte sich wieder zur Stadt nach dem Bau der Eisenbahnlinie Cernavodă-Constanţa und des Hafens, in 1865, über den hauptsächlich rumänisches Getreides exportiert wurde. Nach dem Russisch-Türkischen Krieg (1877-1878) gewann Rumänien die Dobrudscha zurück. Constanţa wuchs zum wichtigste Hafen des Landes, was es heute noch ist.
Heutzutage ist der Hafen Constanţa der grösste am Schwarzen Meer und der viertgrösste in Europa. In den nächsten Jahren besteht das Potential, dass Marseille und Antwerpen überholt werden und Constanta an zweiter Stelle hinter Rotterdam landet.
1889, kurze Zeit nachdem die Stadt unter rumänische Verwaltung gekommen ist, wird am Ende des einzigen Boulevards der Stadt, neben dem Genuesischen Leuchtturm, mit dem Bau eines ersten Amüsierlokals begonnen. Das Gebäude des Kasino-Kursaals ist sehr schlicht – aussen mit Holzlatten beschlagen – und beherbergt zwei Tanzsäle, zwei Lesesäle und zwei Spielhallen. Die Terrasse davor, welche sich grösszügig zum Meer hin öffnet, ist der beliebteste Treffpunkt der Stadt. Seeleute, Reisenden und die lokale Elite kommen her, während der Saison finden fast jeden Abend Bälle statt. Zu den Klängen des Militärorchesters wird Walzer getanzt; die Berühmtheiten jener Zeit geben oft Konzerte, die von der Stadtverwaltung finanziert werden.
Constanta zu Beginn des 20.Jh, die Grosse Moschee Carol I, erbaut 1910
1891 zerstört ein wütender Sturm ein Grossteil des Holzgebäudes. Der Bürgermeister beschliesst ein neues, solideres Gebäude bauen zu lassen, da die Reparatur des alten nicht rentabel wäre.
Das neue Gebäude des «Kursaals» wird 1893 einige Meter weiter vom Genuesischen Leuchtturm entfernt als das alte gebaut, etwa auf der Stelle des heutigen Kasinos. Erneut wird ein schlichter Bau auf Holzstützen im Meer errichtet. Er besteht aus Tanzsaal, mehrere Räume für unterschiedliche Nutzungen und einer Terrasse zum Meer.
«Gleich zu Beginn zieht uns der Festpavillon an, dessen Beine aus den Wellen ragen, wärend die Veranda über das Meer hinausgeschoben ist. Drinnen spielt Musik und fröhliche Paare tanzen den Boston; aussen tauchen aufgehängte Lampions alles in ein märchenhaftes Licht, in welchem sich Damen und Herren intim unterhalten, wie in Tausend und einer Nacht» schreibt Petru Vulcan
Seitenansicht mit Fenster über der Treppen ©dstoica
Zuerst werden die Räumlichkeiten extern vermietet, danach wird das Gebäude von der Stadtverwaltung Constanţa in Eigenregie verwaltet. Ziemlich bald wird festgestellt, dass der Gewinn die Instandhaltungskosten kaum übersteigt; die Stadt bietet die Räume wieder zur Vermietung an. Mai 1902 bewirbt der einzige Sohn des Ion Creanga – ein grosser rumänischer Schriftsteller – sich als Mieter: Kapitän Creanga ist Bäcker und Konditor und spricht die damals gängigen zwei Fremdsprachen. Er bekommt das Gebäude für 2’000 lei im Jahr, unter den Bedingungen, dass er «Konsumartikel bester Qualität» verkauft und für die Beleuchtung «Petroleum bester Qualität, um Geruchentstehung zu vermeiden» benützt.
Das Kasino wird zur Hauptattraktion der Stadt, an sämtlichen Abenden im Juli und August finden Konzerte zwischen 5-7 Uhr und 8-12 Uhr statt, die bedeutendsten Orchester der Zeit treten auf; man kann sich ein Saisonabonement kaufen.
«An ruhigen Abenden füllen sich die zwei Terrassen des alten Kasinos mit vornehmer Gesellschaft, die draussen diniert, vor dem in Dunkelheit gehülltem Meer, und lauscht den den täuschenden Klängen des Orchesters». Der alte Holzbau steht auf kräftigen Stützen, am Rand des Boulevards. In dem improvisierten Salon freuten sich und feierten während vieler Saisons Leute aus ganz Rumänien und aus aller Welt Bälle und rauschende Feste. Heute scheinen die Erwartungen gestiegen zu sein und die Leute schauen voller Mitleid auf die alte Baracke, die einst so viele Stelldicheins und Extase barg.» “Malerisches Constanta” – Ion Adam
Somit war die Architektur des Gebäudes bereits zu Beginn des 20. Jh. aus der Mode gekommen; die Stadtverwaltung wünscht ein modernes Kasino zu errichten, im Stiel der Bauten der französischen Riviera.
Architekt Daniel Renard wird mit dem Projekt beauftragt, er ist 32 Jahre alt und hat die Ecole des Beaux Arts absolviert. Sein Vorschlag, ein Jugenstilgebäude zu bauen, ist zunächst sehr umstritten: von den Liberalen, die gerade an der Macht sind, sehr ermutigt, wird das Projekt von der gesamten Opposition scharf kritisiert. Die Arbeiten beginnen, jedoch endet das Mandat der Liberalen, und die neu gewählten Konservativen stoppen den Bau. Sie ersetzen den Architekten Renard mit ihrem Favorit, dem berühmten Petre Antonescu, welcher ein Theater – ähnliches Gebäude mit zwei Türmen vorschlägt. Die Arbeiten an der neuen Gründung beginnen. Inzwischen geht auch das Mandat der Konservativen zu Ende – und die Liberalen werden 1907 wieder gewählt. Auf der dritten Gründung wird schliesslich zwischen 1907 und 1910 das heutige Kasino gebaut, Kostenpunkt 1.3 Mio lei.
Das Fenster über der Treppen, Innenansicht
Viele mögen den Bau nicht. Zum Beispiel einem französischen Diplomaten,
ᅠGeorge Oudard,welcher 1935 Constanta besucht, erscheint das Kasino- Gebäude als furchtbar.
Er schreibt in seinen Reisebericht: «eine Sache ist an diesem freundlichen Ort enttäuschend: das weisse Kasino, anspruchsvoll und kompliziert , im schrecklichsten Stile des 1900, welches das Meeresufer beladen aussehen lässt.»
Meist war die zeitgenössische Kritik nicht gnädiger und brauchte das Kasinogebäude oft in den Schlagzeilen unterschiedlicher politischer Auseinandersetzungen. In einer Nummer vom März 1910 beschreibt die Zeitung «Conservatorul Constantei» das Kasino als ein «mit lauter unterschiedlichem Flitter geschmücktes Ungetüm». Im Dezember 1911 kritisiert die Zeitung «Drapelul» (die Flagge) den Bürgermeister Titus Cananau, weil er als Chefingenieur die Pläne und Baugesuche genehmigt hat, obwohl er «in seiner Stellung als Leiter des Technischen Dienstes und Mitglied des Baurates den Bau des Ungeheuers hätte verhindern können und müssen.»
Fürst Ferdinand eröffnet am 15. August 1910 das Kasino, dessen Verwaltung Alphonse Hietz, Hotel- und Restaurantbesitzer aus Bukarest übernimmt.
Der Raum mit der Bühne. Fenster in Muschelform, typisch Jugendstil
Gegenüberliegende Wand im selben Raum
Um die enorme Investition für den Bau zurück zu gewinnen, autorisiert die Stadtverwaltung im März 1911 die Glücksspiele. Zwei Billardtische und 17 runde Kartentische werden zur Benutzung gestellt. Alsbald kommen Spielsüchtige und Abenteurer aus der ganzen Welt zum feiern und spielen her, wo der Luxus und die Eleganz zu Hause sind. Im Kasino finden leidenschaftliche Dramen statt – und sagenhafte Reichtümer wechseln ihre Besitzer innert kürzester Zeit. Manche der Verlierer werfen sich in die Wellen oder erschiessen sich in einem Hotelzimmer in der Nähe.
Der Baron Edgar de Marcay lässt 1912 das Hotel Palace bauen – speziell für die Kunden des Kasinos, wie mit der Stadtverwaltung vereinbart (Mein Grossvater, arch. Agripa Popescu, gestaltete die Inneneinrichtung in den 1970er Jahren, als das Hotel saniert wurde).
Im ersten Stock. Links die Tür zum Spielraum, vorn kommt man zu einem Festsaal
Entgegen aller Kontroversen behält das Kasino seine ursprüngliche Funktion über die Jahre hinweg, mit einer einzigen Ausnahme: im Ersten Weltkrieg wird das Gebäude als Spital benutzt – und vom Meer aus beschossen.
In der Zwischenkriegszeit strahlt das Kasino wieder in seiner alten Pracht. Das Gebäude, welches eine Baufläche von 801m² misst, wurde 1956 denn auch unter Denkmalschutz gestellt.
2005 wird das Kasino geschlossen und zur Konzession angeboten.
Ein Jahr später, Januar 2006, zeigt nur die israelische Firma “Queen”, welche auch Casino Palace in Bukarest besitzt, Interesse. Die Firma plant eine Neueröffnung in der zweiten Hälfte des Jahres 2009, mit erweitertem Programm für VIPs.
Realitatea.net schreibt im Juni 2007:
Nach zwei Ausschreibungsetappen, zum Zeitpunkt der direkten Verhandlung, wurden die Vorgänge angehalten. Die Ausschreibung war international, erschien in der Presse und wurde auch in der Zeitung der EU angezeigt, jedoch verordnete die Regierung, dass auch ein Beamter des Kulturministeriums der Ausschreibungs – Kommission beiwohnen, erklärte der Bürgermeister Radu Mazare. Das Kulturministerium hat sich danach geweigert, eine Person für das Komitee zu nominieren, mit der Begründung, die nötigen Verfahrensnormen existierten noch nicht. Die Stadtverwaltung Constanţa startete ein Anzeigeverfahren, danach wurde rasch ein Beamter des Kulturministeriums nominiert. Die Verhandlung mit der Firma Queen, immer noch die einzig interessierte, wurde eine Woche später mit einem Vertrag beendet.
Luftansicht, vom Meer aus © Stadt ConstantaDas Kasino auf der Küste wird der israelischen Firma für 49 Jahre in Konzession übergeben, mit einer Verlängerungsmöglichkeit für weitere 24 Jahre. Die Lizenzgebühr beträgt 140’000 € pro Jahr und fliesst in den Gemeindehaushalt ein; dazu wird der Betreiber verpflichtet, 9 Mio. € in die Restaurierung des Gebäudes zu investieren.
Das Zeitfenster fürs Renovationsprojekt erstreckt sich auf ein halbes Jahr hinaus, danach beginnen im Anschluss die Sanierungsarbeiten, wenn das Bauvorhaben bewilligt wird.
Je nach Ausgang des Gutachtens werden sowohl die Tragstruktur, als auch die Innenräume saniert.
Meine Fotos stammen aus 2007, als an einem Septembertag im unteren Teil des Gebäudes eine Hochzeitsfeier vorbereitet wurde. Durch die Säle im Erdgeschoss liefen eilig Kellner umher und deckten die festlichen Tische, im oberen Geschoss flogen Tauben durch den Saal mit der Bühne – deren Spuren man auf den Fotos erkennen kann.
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