Schlossplatz um 1900
Nationaldenkmal Kaiser Wilhelm mit Schloss, 1900
16. Jh. bis 1950 – Burg und Schloss
Für die Spreeinsel in Berlin wurde im Laufe der Zeit ein harter Kampf geführt.
Kurfürst Friedrich II. Eisenzahn hatte ursprünglich darauf 1443 eine Burg errichten lassen, die die Handelswege kontrollieren sollte, welche sich auf der Spreeinsel kreuzen. 1465 wird dem mittelalterlichen Bau eine spätgotische Erasmuskappelle angefügt. Im 16. Jh. wird auf Wunsch des Kurfürsten Joachim der II. die alte Burg weitgehend abgetragen und durch einen prachtvollen Renaissancebau ersetzt.
Berliner Stadtschloss, 1685, Unbekannter Künstler
Kurfürst Friedrich der III. lässt es ab 1699 zur Königsresidenz ausbauen, zwei Jahre bevor er zum König Friedrich I. von Preussen gekürt wird. Hofbaumeister Schlüter, der den barocken Umbau vollzogen hatte, entwirft einen Münzturm an der Nordwestecke, leider muss dieser aber aus statischen Gründen 1706 wieder abgetragen werden, Schlüter wird daraufhin unehrenhaft entlassen. Er bleibt am Hofe als Bildhauer, aber das Berliner Stadtschloss wird zur Hauptresidenz der nachfolgenden Könige und Kaiser.
Luftaufnahme um 1900Nach der Novemberrevolution 1918, die Deutschland von einer konstitutionellen Monarchie in eine demokratische Republik verwandeln sollte, wird das Schloss als Museum genutzt und von unterschiedlichen wissenschaftlichen Forschungsgesellschaften gemietet.
Bei einem Grossangriff auf Berlin am 3. Februar 1945 wird das Schloss getroffen und brennt zu grossen Teilen aus. Weitere Schäden werden besonders den Fassaden zum Schlossplatz bei Strassenkämpfen zwischen Deutschen Soldaten und der Roten Armee zugefügt. Dennoch ist das Schloss zu diesem Zeitpunkt in besserem Zustand als Schloss Charlottenburg im Westen der Stadt; Aussenmauern, Tragwerk und Treppentürme zeigen sich als imponierende Ruine. Der zweite Stock des Westflügels, mit dem berühmten Weissen Saal, ist weitgehend vom Feuer verschont geblieben und wird zwischen 1945 und 1948 von zahlreichen Besuchern bestaunt.
Räume wie dieser waren nach dem Krieg ehalten geblieben
Postbellum – Brache und Palast
1950 beschliesst Walter Ulbricht, Generalsekretär des ZK der SED, die Beseitigung des Stadtschlosses, da es einerseits an finanziellen Mittel für die Renovation fehlt, andererseits vor allem weil es ein “Symbol des preussischen Adels und Militarismus” darstelle. Nach Sprengung, Abriss und Schutträumung (letztere wird unter anderem durch die FDJ ausgeführt) die zwischen 7 September – 30. Dezember 1950 stattfinden, bleibt das Grundstück für 23 Jahre brach. Dabei wird es unter dem neuen Namen Marx-Engels-Platz für Kundgebungen und Aufmärsche, aber auch als Parkplatz benutzt. Bis zu diesem Zeitpunkt war noch das komplette Kellergeschoss des Stadtschlosses erhalten und wurde nun zur Hälfte für die neue Bodenwanne des Palastes entfernt.
Abriss 1950
Zwischen 1973 und 1976 wird auf der Stelle des ehemaligen Stadtschlosses der Palast der Republik errichtet. Allein der Namenswandel deutet auf Paradigmenwechsel hin. Chefentwerfer ist Heinz Graffunder, der zwischen 1976-1988 die städtebauliche Projektierung der neuen Berliner Stadtbezirke Berlin-Marzahn und Berlin-Hellersdorf leiten wird.
Der Palast der Republik bestand aus zwei massiven Aussenvolumen, welche durch einen Mittelkörper verbunden wurden. Die Aussenmasse 180 m x 85 m und die Höhe von 32m orientierten sich an den Dimensionen des benachbarten Marstalls und des Staatsratsgebäudes.
Hier zum Vergleich die Masse des Bukarester Volkspalastes (Bauzeit 1984 – 1989, heutzutage Parlamentspalast): 275 m x 235 m, Höhe 84m überirdisch, zusätzlich 15 m Kellergeschosse.
Palast der Republik, April 1976
Als Brandschutzmassnahme wurden der Stahlstruktur 5’000 Tonnen Spritzasbest aufgetragen, was einer Menge von 720 Tonnen Rohasbest entspricht. In den ’60-’70er Jahren war der Einsatz von Asbest als Dämmstoff die Standardvorgehensweise. Asbest ist ein Material mit Feuerbeständigkeit bis 1’000°C und wurde ab 1820 erst für die Bekleidung der Feuerwehrleute benutzt, dann vermehrt in der Industrie eingeführt. Von Faserzement, Dacheindeckungen und Aussenwandverkleidungen (als Eternit – wobei das heutige Eternit kein Asbest mehr enthält) wird Asbest zum Bestandteil von über 3’000 unterschiedlichen Produkten, wie Zahnpasta, Postsäcken, Synthetikfiberkleidung, Knöpfen, Elektrogeräten. Obwohl es bereits 1900 als gesundheitsschädigend erkannt und, mit der immer weiter verbreiteten Anwendung, in den ’70er Jahren offiziell als krebserzeugend bewertet, wird Asbest von einer sehr starken Lobby unterstützt, die das Benutzen des Materials als Brandschutznorm erzwingt (Schweiz). In der BRD wird Spritzasbest als erstes Asbestprodukt 1979 verboten.
Am 23 April 1976 wird nach 32 Monaten Bauzeit mit grossen Feierlichkeiten der Palast der Republik eingeweiht.
Veranstaltung im Palast, Sommer 1976 © Wikimedia Commons
Wikipedia beschreibt den Palast wie folgt:
Dem Bau des Palastes der Republik lag das Konzept eines Volksheimes oder Volkshauses zugrunde, das im 19.Jahrhundert vor allem von der sozialistischen Arbeiterbewegung verfochten und etwa in Belgien, Frankreich (Centre Georges Pompidou), den Niederlanden oder Schweden (Kulturhuset in Stockholm) zu umfangreichen Bauten führte. Vor allem in der frühen Sowjetunion wurden Kulturhäuser zu Symbolen der neuen Staatsmacht. In Deutschland bauten vor allem die Gewerkschaften solche Anlagen. In der DDR wurde die Aufgabe des Kulturhauses oder Kulturpalastes zu einer eigenständigen Richtung der Architekturtheorie. (…) Der Palast der Republik zeigte sich vor allem mit seinen umfangreichen Foyers, den Restaurants, der Bowlingbahn, aber auch mit dem Großen Saal für Veranstaltungen als Kulturpalast. Auf Grund des weitgehenden Fehlens ähnlicher Anlagen im Zentrum Ost-Berlins war ihm die Publikumsgunst sicher. (…) und aus Schweden importierter weißer Marmor machten aus diesem Bau etwas Einzigartiges.
Der kleine Saal des Palastes diente als Sitz der Volkskammer, des Parlaments der DDR. Der große Saal diente als Ort für große Kulturveranstaltungen. Er hatte die Form eines symmetrischen Sechsecks mit 67Meter Breite und 18Meter Höhe. Hubeinrichtungen ermöglichten verschiedene Höhen der Bühne für verschiedene Kongress- oder Konzertzwecke. Die Aktionsfläche war somit von 170 bis 1000m² wandelbar.
Postrevolutionem – Zweifel und Debatten
Am 19. Septembrie 1990 wird das Gebäude wegen Asbestverseuchung geschlossen, von einer Sanierung wird abgesehen. Dennoch wird zwischen 1998 und 2003 für 35 Mio.€ so entfernt, das sowohl Instandsetzung als auch Abriss möglich sind.
Infolge diverser Architekturwettbewerben mit Vorschlägen zum Umgang mit dem Schlossplatz beschliesst der Bundestag 2003 den Abriss des Palastes zu Gunsten des Humboldtforums auf Grünfläche, in welchem ein Museum der Aussereuropäischen Kulturen, eine Zentralbibliothek und die historischen Sammlungen der Humboldt – Universität untergebracht werden sollen. Die Fassaden, welche nicht auf die Spree schauen, sollen nach barockem Modell wiederaufgebaut werden. Da die Kosten des Bauvorhabens 590 Mio. € betragen, wurde eine Zwischennutzung beanstandet. Frühling 2004 begann diese unter dem Namen “Palast des Volkes”, mit Kunstausstellungen und Theaterstücke in dem Palastinnenraum, der nur noch als Rohbau besteht. Im Rahmen des Projekts “Fassadenrepublik” konnten die Besucher den teilweise gefluteten Palast in Schlauchbooten erkunden.
Am 26. Januar 2005 lässt der norwegische Künstler Lars Ramberg den Schriftzug “ZWEIFEL” in 6m – hohen, neonbeleuchteten Buchstaben anbringen. Mit seinem Projekt wollte der Künstler Diskussionen über die Zukunft des Palastes und über verloren geganene Utopien ermutigen. Am 10. Mai 2005 wurde der Schriftzug wieder abmontiert, nach einem Streit über Urheberrechtsverletzung zwischen dem Künstler und den Veranstaltern der Ausstellung ZeitSchichten – Erkennen und Erhalten – Denkmalpflege in Deutschland in Dresden, die ein Palastbild samt Schriftzug als Teil einer Installation ohne Erlaubnis oder Informieren des Künstlers verwendet hatten.
Palast des Zweifels, 2005 © Wikimedia Commons
Die Ausstellung “Fraktale” probiert mit einem weissen Raum in der Mitte des Palastes – White Cube Berlin – ein letztes Mal dem Gebäude eine neue Rolle zu etablieren. Deren Aufbau und Inhalt wurden im Dokumentarfilm AltlastPalast dokumentiert. Im Dezember 2005 wurde in Berlin eine Stiftung für den Erhalt des Palastes der Republik gegründet.
Im Sommer des Jahres 2005 diplomierte ich in Karlsruhe. Die einzige 1.0 – Note unseres Jahrgangs ging an einen Kollegen, der sein Studium im 27. Semester mit einer 5cm – dicken DIN A4 Mappe mit handgezeichnneten Vorschlägen zur Fassade des Palastes der Republik abschloss.
Proteste gegen den Abriss 2006 © Wikimedia Commons
Zum Abriss abermals Wikipedia:
Nach Terminen im Frühjahr 2005 und im Oktober 2005 wurde das Gebäude ab Februar 2006 mithilfe von fünf Kränen langsam von den beteiligten Unternehmen zurückgebaut. Von einer Sprengung des Gebäudes wurde abgesehen, weil Beschädigungen umliegender Gebäude durch den Auftrieb der Bodenwanne und das dadurch bedingte Absinken des Grundwasserspiegels befürchtet wurden. Stattdessen wurde das abgetragene Material gemessen und im gleichen Maß dann mit Wasser versetzter Sand in die Bodenwanne geleitet. Die Kellergeschosse des Palastes der Republik bleiben vollständig erhalten und sollen bei einer Neubebauung genutzt werden.
Die Abrissarbeiten sollten ursprünglich Mitte 2007 abgeschlossen sein. Im Laufe der Arbeiten wurde an mehreren Stellen zusätzlich asbesthaltiges Material festgestellt. Der Abriss verlangsamte sich dadurch deutlich. Am 2.Dezember 2008 wurde der letzte Gebäudeteil des Palastes abgerissen. Die Zusatzkosten in Höhe von bislang 9,9Mio.Euro muss der Bund übernehmen.
Nach Abschluss der Abrissarbeiten wird das Kellerbecken des Palastes mit 20.000m³ Sand aufgefüllt. Wenn diese Arbeiten wie geplant im Februar abgeschlossen sind, soll die Fläche begrünt werden, ehe im Jahr 2010 der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses als „Humboldt-Forum“ beginnt. Auf dem direkt anschließenden Schloßplatz ist seit Oktober 2008 die „Temporäre Kunsthalle Berlin“ öffentlich zugänglich.
Insgesamt wurden 78.000t Baumaterialien abgetragen. Davon waren:
- 56.600 t Beton
- 19.300 t Stahl und Eisen
- 500 t = 8.200 m² Glas
- 600 t Ziegel und Holz
- 1.000 t Bitumengemische, Kunststoffe und Dämmstoffe
- 200 t besonders überwachungsbedürftige Stoffe, die wegen der Asbestanteile getrennt entsorgt werden mussten.
Das mitunter sehr wertvolle Material wurde teilweise für den Bau des derzeit höchsten Gebäudes der Welt – den Burj Dubai – nach Dubai verkauft. Teilweise wurde der Stahl auch von Volkswagen gekauft und für den Bau von Motorenblöcken im Golf VI verwendet.
ein besonderes Dokument: der Abrisskalender
eine Luftaufnahme des Grundstücks
Ansicht des Palastes, 2009 © Wikipedia Commons