Ein verrückter Bau in einer entgleisten Stadt

Dorobanti Tower, Render © Zaha Hadid Architects

Das Haus des Volkes mit seiner Rekordfläche schien uns Bukarestern nicht zu genügen, jetzt brauchen wir auch noch eine vertikale Dominante… In einer von Erdbeben regelmässig gerüttelten Stadt, in der sich der Asphalt und die zahlreichen Betonstrukturen im Sommer regelmässig auf über 60°C erhitzen und, wegen der Wärmespeicherfunktion dieser, die Höchsttemperatur erst Abends um sieben Uhr stattfindet, in einer Stadt, welche auf sandig-lehmigem Boden an einem Fluss, den man kaum noch erkennen kann, gebaut wurde – würde man einen Glasturm bauen, dessen Fenster dauernd von heruntergezogenen Storen versperrt werden und dessen Klimatisierung den Jahresausstoss eines gesmaten AKWs benötigt. Was ist mit dem Zugang an dieser absolut zentralen Lage – siehe Luftbild? Wahrscheinlich haben die unteren 20 Stockwerke Parkhausfunktion. Oder ist eine direkte U-Bahn-Linie von dem nur 6km (nach Angaben der Planer) – entfernten Flughafen geplant? In Wirklichkeit ist der Flughafen 14km entfernt, die einem, je nach Tageszeit, auch mal wie 80km oder mehr vorkommen. Wer in letzter Zeit die Stadt besucht hat, weiss, dass viele Einwohner mit 4 Stunden Arbeitsweg rechnen müssen, da der Verkehr zu Stosszeiten zum erliegen kommt. Seit den Achzigern hat sich die Autozahl verfünffacht, der Strassenbau blieb leider in den Achzigern.

Allein für die Zwischenlagerung des Baumaterials und die Baugrube währe mindestens die dreifache Fläche des Turms nötig. Umgebung abreissen? Plattform bauen? Vorgefertigte Elemente direkt per Helikopter einfliegen?

In der Beschreibung des Planerbüros wird der Entwurf als “timeless” – zeitlos – gelobt. Dabei war Kult des Stararchitekten nie stärker als heute, nie war dieser weniger an der Umgebung und an der Funktionalität interessiert. Früher war für die Errichtung von Prunkbauten ein totalitärer Führer nötig, heute schafft der berühmte Architekt das im Alleingang…

Wie gut, dass uns Bukarester der Bau eines modernen urbanen Zentrums im Herzen dieser chaotischen Stadt, in welcher der Verkehr längst zum Kollaps gekommen ist, beschäftigt. In dieser Stadt, in welcher jeden Tag altehrwürdige Häuser, die der kommunistischen Abrisswut entkommen konnten und denen man in einem Land wie Deutschland sogar das Schlüsselloch unter Denkmalschutz stellen würde – abgerissen werden, um zufälligen Bauten Platz zu machen, die nicht einmal erfolgreich andere “moderne” Hochbauten in der Welt immitieren können.

Auf diese Weise kämen wir höchstens dem Image Moskaus näher, der Stadt in welcher die zahlreichen sagenhaften Neubauten nicht, wie gewollt, die Bewunderung des Westens, sondern gerade dessen Verachtung hervorrufen, wegen dem ausserordentlichen Kontrast zwischen den Baukosten und der Misere der grossen Mehrheit der Stadtbewohner.

In einem Land mit ernsthaften Infrastrukturproblemen, das zurzeit nicht imstande ist, der Mehrheit seiner Bürger eine Existenz oberhalb der Armutsgrenze zu ermöglichen, würde der Bau eines solchen Monuments alles illustrieren, was mit dem Kapitalismus schiefgelaufen ist.

Berühmte repräsentative Bauten unterscheiden sich von geschmacklosen Experimenten durch deren Authentizität. Gewiss war der Eiffelturm in Paris oder das World Trade Center in New York für seine Zeit ein avantgardistischer Bau, aber sie erfüllten ihren jeweiligen Zweck: sie wurden in Zeiten des wirtschaftlichen Erfolgs gebaut und fungierten als Symbole, der erste, der technischen Meisterhaftigkeit, der zweite, der Handelsmacht. Sie waren glaubwürdig und haben deshalb ihre Symbolfunktion im Laufe der Zeit behalten.

Wissen und Macht verpflichten. Sollten wir dies verachten, riskieren wir wohl wie die Bankiere zu enden.

Im Anhang der Text der Seite “Zaha Hadid Architects”, von der auch die Renderings stammen.

“an iconic presence in the heart of Bucharest. (…) The purity of its form – a chamfered diamond- like structure – will be a timeless, elegant landmark in the centre of Bucharest. Zaha Hadid Architect’s design concept (…) naturally expresses the changing programme of hotel, amenities, and residential apartments. The site is located in the centre of Bucharest, to the west of Piaza Romana, and approximately 6km south of the international airport. The brief called for a 100,000 square metre mixed-use development at the junction of Calea Dorobanti and St. Mihail Eminescu. The project comprises 34,000 square metres of a 5-star hotel (including restaurants and a convention centre) and 35,000 square metres of luxury apartments.(…) This public area will be unlike anything else in Bucharest, representing a major attraction within the dense urban character of the City, offering an important new meeting space and urban plaza.”

 

Dorobanti Tower, Render © Zaha Hadid Architects

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2 Replies to “Ein verrückter Bau in einer entgleisten Stadt”

  1. Und da soll noch mal einer die Behauptung versuchen, Architektur sei funktional 😉

    Aber wie wärs hiermit als neuem Symboltrend des bewunderungsvollen Westens: Wer will schon bauen! Macht den Wettbewerb, den Terroranschlag, die Vergangenheitsbewältigung, etc. zum Hapening. Schleppt jeden alternativen 1.0er Student und Cowboy-Stiefel Existentialisten durch die Medienmaschine bis es keiner mehr hören und sehen kann. Und wer will dann noch bauen… Wer fragt sich noch, was aus der WTC ground-zero site geworden ist? Genau, kein Schwein.

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